Autorin
Hannelore Jost


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Leseprobe
In den Zeichen der Zeit

Händler, der kleine untersetzte Getreidehändler zitterte am ganzen Körper. Seine sonst so lächelnden Augen sprühten förmlich Funken. Erstarrt stand er da, die schmalen Lippen wollten Schimpfwörter formen, brachte jedoch keinen Ton heraus. Entsetzt holte er tief Atem. Was sollte er nur tun?
Ihm gegenüber stand Trödler, ein fahrender Getreidehändler. Dieser verkaufte den Scheffel Roggenmehl für nur 6 Taler. Wutentbrannt ballte Händler seine Hand zu einer festen Faust.
Niemand wusste genau, wo Trödler herkam. Er war überall und nirgends und verkaufte sein Mehl auf den verschiedensten Märkten. Dabei legte er sich ständig mit den Einheimischen an. Aber das störte Trödler nicht. Morgen war er auf einem anderen Markt und weit weg von dem Geschrei, wenn die betrogenen Kunden die Mehlfälschungen bemerkten. Er hatte nur ein Ziel, so viel wie möglich Geld einzunehmen und dann zu verschwinden. Mitleid mit den Betrogenen hatte nicht.
Händler, immer noch starr vor Schreck, pries nun endlich sein Roggenmehl an. Lautstark schrie er: “Ein Scheffel gutes Roggenmehl kostet heute nur 10 Taler, kauft Leute, kauft. Gutes Mehl, solches Mehl bekommt ihr nirgends. Ein Scheffel Roggenmehl kostet nur 10 Taler.“
Er konnte das Mehl doch nicht preiswerter abgeben. Dann würde er draufzahlen.
Leise rechnete er: Nach der Ernte kostet der Scheffel Roggen, wenn er noch nicht gemahlen ist, 4 Taler. Mehl ist viel mehr wert, das Korn ist gemahlen und die Spreu vom Roggen getrennt. Dadurch wird es weniger und dann bekommt auch noch Müllers seinen Teil ab. Dazu kommt noch die trockene Lagerung. Die Scheunen in denen er das Korn aufbewahrt wird, müssen ständig ausgebessert werden. Das kostet. Außerdem ist der Mäusefraß abzurechnen. Nein, unter 10 Taler konnte er den Scheffel Roggenmehl nicht verkaufen. Er arbeitete hart und machte sogar einen kleinen Gewinn. Dieser reichte für sich und seine Familie gut zum Leben und er konnte sogar etwas zurücklegen.
Er sah Trödler. und kochte vor Wut. Dieser machte ihm heute sein Geschäft kaputt.
6 Taler für den Scheffel Roggenmehl!
Wenn er Roggenmehl für 6 Taler verkaufen würde, müsste er sogar noch draufzahlen.
Händler stöhnte. Er war sich sicher, für diesen Preis das Roggenmehl zu verkaufen, das geht nicht! Es kann einfach kein ordentliches Mehl sein.
Händler war überzeugt, dass Trödler sein Geschäft übernehmen will. Aber das widersprach der Zunftordnung des Städtchens Ruspan. Der Bürgermeister Schulze und die Zunftmeister würden nie einem Zugereisten erlauben, sich hier in der Stadt niederzulassen und ehrbaren Ruspanern Bürgern ihr Auskommen zu nehmen. Da war er sich sicher.
Trotzdem schäumte Händler vor Wut.
Außer sich brüllte er: “Das Mehl von dem fahrenden Trödler ist gefälscht, es ist schimmlig, und es macht krank.“
Trödler lachte: “Ich bin der Ehrliche und Händler ist ein Wucherer, der sich auf Kosten der Ärmsten bereichert! Händler ist ein Räuber, er raubt den armen Leuten das Geld aus den Taschen.“
Händler, der nun von allen nur als Blutsauger bezeichnet wurde, schlug wutentbrannt mit seinem Scheffel auf Trödler ein, der sich nach dem ersten Hieb duckte. Der Scheffel sauste über Trödlers Kopf hinweg und traf Böttgers Nase.
Blut spritzte über den Markt.
Wutentbrannt drosch nun Böttgers auf Schusters und Müllers auf Richters ein. Lehrers verteidigt Händler und bekam von Seifensieders einen Kinnhaken.
Es genügte ein falsches Wort und man war mitten in der Schlägerei. Sogar die Marktfrauen schlugen und bissen um sich. Schließlich drosch jeder auf jeden ein.
Kleinbauers, der auf Hofmeisters ordentliche Wut hatte, gab ihm eine deftige Ohrfeige. Hofmeister nahm daraufhin seine Peitsche schlug damit auf Kleinbauers ein.
Die Peitsche knallte. Für Hofmeisters Pferde, die an dem Wagen festgebunden waren, das Zeichen um loszulaufen.
Die Bremsen waren angezogen. Den halbleeren Wagen schleiften die Pferde ein kurzes Stück mit, bis sich der Braune losreißen konnte. Wiehernd galoppierte das Pferd in Richtung Stall davon.
Wütend hielt Hofmeisters das andere Pferd an seinen Zügeln fest. Einige seiner Waren auf dem Wagen wurden heruntergeschleudert und lagen nun mitten auf dem Markt.
Ein Knabe in abgewetzten Hosen bedienten sich schamlos an einer großen Karotte und griente ihn unverschämt an. “So eine Gelegenheit muss ich doch nutzen.“ Bückte sich erneut nach einigen Kartoffeln und einem Apfel.
Hofmeisters wetterte und schlug mit seiner Peitsche nach dem Dieb. Wieder knallte die Peitsche. Für das Pferd wiederum die Aufforderung loszulaufen.
Hofmeisters konnte sein Pferd nur noch mit Mühe halten und schrie: “Brrrr... Schecke... brrrr.... ruhig, ist alles gut, brrrr... Schecke“.
Hofmeisters lobte das Pferd und klopfte ihm anerkennend an den Hals, schielte dabei immer noch wütend auf den Dieb.
Inzwischen war die Rauferei richtig in Gang gekommen. Jeder fand auf dem Markt einen, mit dem er noch eine alte Rechnung offen hatte und auf dem er wütend war. Eine gute Gelegenheit, es demjenigen heimzuzahlen. Es war eine einzige, große Prügelei. Kaum einer, der ungeschoren davon kam.
An diesem Abend warteten in dem Sprechzimmer des Doktors viele blutige und gebrochene Nasen, geschwollene Augen, geprellte Rippen, Arme und Beine.
Richters leitete eine Untersuchung der Schlägerei ein.
In Absprache mit dem Gerichtsdirektor, wurde der fahrende Getreidehändler Trödler festgehalten und in eine Arrestzelle ins Rathaus gebracht.
Ihm wurde Mehlfälschung und Anstiftung zur Prügelei vorgeworfen.
Richters las ihm die Anklage vor und meinte: "Ruspan ist eine gesittete Stadt. Wo kommen wir da hin, wenn ein jeder macht, was er gerade will und auf jeden anderen eindrischt. Solch eine Schlägerei musste Folgen haben. Besonders für auswärtige Bürger.“
Aber auch viele Ruspaner Bürger wurden für einige Tage in den Kerker gesperrt. Die Zellen im Rathaus waren längst überfüllt, sodass man die Zellen in den Torhäusern der Stadttore mitnutzten musste. Außerdem wurde das Roggenmehl von Trödler genau untersucht. Müllers, der jedes Mehl am Geruch erkannte, begutachtete die Ware. “Es ist eine Fälschung! Es ist gefälschtes Mehl, es ist ein Gemisch aus Gerste, Hafer und Wicken.“
Trödler stritt es lange ab und gab es erst zu, als man dieses Mehl noch genauer untersuchen wollte. Er fürchtete sich vor einer noch höheren Strafe, wenn bei einer genaueren Untersuchung noch die gemahlenen Eicheln in dem Mehl finden würde! Trödler durfte gar nicht daran denken. Ihm liefen heiße Schauer über seinen ganzen Körper. Er saß lieber seine Strafe ab. Zusätzlich musste er noch noch 50 Taler wegen Mehlfälschung und 10 Groschen wegen Anstiftung zur Prügelei zahlen. Außerdem durfte er nie wieder auf dem Wochenmarkt in Ruspan erscheinen.