Band 1
Friedas Abenteuer im Land Wunderschönhausen
Frieda war ein kleines, hübsches Mädchen, dem man den Schalk schon von den Augen ablesen konnte, jederzeit fröhlich und zu manchen frechen Streichen bereit. Aber wie es eben so war, fand sie sich selbst grundhässlich, ihre Nase zu spitz, ihre Augen zu groß, ihren Mund zu klein und am schlimmsten waren die kleinen braunen Sommersprossen. Es war eben nichts so, wie Frieda es gern mochte.
Frieda hieß eigentlich Christina Annabell Fridoline Müller. Sie war mit sich und der ganzen Welt unzufrieden und ihr Name gefiel ihr natürlich auch nicht. Deshalb ließ sie sich von allen nur Frieda rufen.
Im Kinderzimmer auf dem Schreibtisch lag ihr Lieblings-Malbuch. Eine Prinzessin mit lockigen schwarzen Haaren lächelte Frieda an. Eine goldene Krone strahlte über ihrem Kopf. Das Kleid aus hellem silbernem Seidenstoff war so lang, dass nur die Zehenspitzen zu sehen waren. Frieda hatte es mit ihren Lieblingsblumen, goldenen Rosen, bemalt. Über der Prinzessin flatterte ein schöner, großer, bunter Schmetterling. Diesen hatte Frieda selbst gemalt. Sie liebt Schmetterlinge, je größer, desto schöner.
Ein heller Sonnenstrahl, der durch Friedas Fenster direkt auf das Malbuch schien, ließ alles in silbernem Licht glitzern und strahlen. Es schien so, als kitzelte er erst die Prinzessin und dann den Schmetterling direkt an der Nase.
Und so kam es, dass Frieda träumerisch vor sich hin sprach: „Ach, wenn ich doch auch einmal so schön wie diese Prinzessin aussehen könnte! Ich würde alles dafür geben.“
Plötzlich fing der Schmetterling mit einer zarten Stimme an zu sprechen: „He, Frieda, ich bin es, der Schmetterling. Hier! Du hast mich doch so wunderschön gemalt – hier, im Malbuch. Schau mal, wie ich mich mit meinen Flügeln im Wind treiben lassen kann und wie herrlich sie in der Sonne glitzern. Das ist so schön, so herrlich, so wundervoll!“ Die Worte sprudelten vor Begeisterung aus dem Schmetterling hervor.
Frieda atmete tief durch und hielt vor Überraschung die Luft an.
Band 2 Abenteuer im Land Wunderschönhausen - Der Raub des Mondlicht-Steines
„He, ich bin Paul, Ritter Paul von Rittersgrün, und das ist meine Kampfhornisse Rosinante. Darf ich mitspielen?“
„Ich bin Prinzessin Frieda und das sind meine Freunde, die Schmetterlinge Felix und Himmelblau und der Marienkäfer Glückskäferle.“
Ritter Paul war ein rothaariger Junge in einer goldenen Rüstung. Mitten auf seiner Brust thronte sein Wappen, ein stolzer Ritter auf einem schwarzen Hengst, umgeben von grünen Hopfenranken. An seiner linken Seite trug er eine reich verzierte Schwertscheide.
Ein prächtiges Schwert musste darin stecken, denn der Schwertknauf war mit Diamanten, Rubinen und Saphiren bestückt.
Erwartungsvoll und in der Hoffnung, viele spannende Abenteuer erleben zu dürfen, stand Ritter Paul von Rittersgrün vor ihnen.
„Das ist kein Spiel. Es kann echt gefährlich werden. Wir wollen keine Abenteuer erleben. Wir suchen den Mondlicht-Stein. Wenn du uns helfen willst, bist du herzlich willkommen“, antwortete Frieda.
Paul freute sich. Genau danach hatte er doch gesucht. Schließlich wollte er unbedingt Abenteuer erleben und zeigen, wie klug und mutig er war. „Ich finde auch, dass es hier viel zu dunkel ist. Rosinante und ich, wir sind zu jeder Schlacht bereit. Abenteuer – wartet auf mich: Ich komme!“ Er zog sein Schwert und fuchtelte damit vor Friedas und Glückskäferles Nase herum.
Frieda zuckte zusammen. „Stopp, stopp!“, rief sie. Nun schaute sie den Ritter Paul ernst an: „Noch einmal: Wir spielen nicht. Der Mondlicht-Stein ist gestohlen worden und wir sind auf der Suche nach ihm. Das kann gefährlich, echt gefährlich werden. Überlege es dir genau?“
„Aber wir können wirklich Hilfe gebrauchen. Zuerst müssen wir herausfinden, was geschehen ist, dann den Mondlicht-Stein finden und ihn wieder auf den Grund des Mondscheinsees zurückbringen. Nur so können wir Wunderschönhausen retten. Also, Ritter Paul, seid ihr, du und deine Kampfhornisse Rosinante, noch immer dabei?“, fragte Felix.
„Na klar, ob Spiel oder Wirklichkeit. Ich bin der Ritter Paul von Rittersgrün. Ich mache bei euch mit, ist doch Ehrensache!“
Band 3
Wunderschönhausen und sein größtes Geheimnis
Woher kam nur diese leise, wispernde Stimme. Frieda sah sich um. Sie schaute ihre Familie an, aber die schien nichts gehört zuhaben.
Sicher hatte sie sich das nur eingebildet.
Doch ein paar Sekunden später war da wieder diese helle Stimme: „He Frieda, ich bin es, Glückskäferle. Hier über deinem rechten Ohr.“
Frieda nahm ihre Hand und fühlte die Umrisse des kleinen Käfers.
„Hallo Glückskäferle, wie geht es dir?“, begrüßte das Mädchen den Marienkäfer. Vergessen war das Frühstück, vergessen war auch, dass ihre Eltern nichts von Wunderschönhausen hören wollten. Träumerisch schwärmte Frieda vor sich hin: „Tolle Abenteuer haben wir zusammen erlebt, damals in Wunderschönhausen, richtig schöne Abenteuer.“
Glückskäferle freute sich. „Schön dass ich dich gefunden habe. Wir brauchen deine Hilfe, wir brauchen die Zauberbrille. Du hast sie doch hoffentlich noch!“, fragte er hilfesuchend.
„Was, diese komische dunkle Brille braucht ihr?“, fragte Frieda ihren kleinen Freund ungläubig.
„Führst du neuerdings Selbstgespräche?“ Der Blick ihres Vaters war sehr eindringlich und Friedas Mutter wollte ihr an die Stirn fassen, um zu prüfen, ob sie Fieber hatte.
„Ich habe euch doch von Wunderschönhausen erzählt und davon, wie ich den Mondlicht-Stein gefunden habe. Außerdem ist es dort sehr, sehr schön. In Wunderschönhausen ersetzt der Mondlicht-Stein die Sonne. Der Stein liegt ganz tief auf dem Grund des Mondscheinsees und erstrahlt wie eine am Morgen aufgehende Sonne. Als ich ihm das allererste Mal sah, vergaß ich alles um mich herum, auch die Warnungen vor dem bösen Lichtibus. Ich sah nicht die vielen Tiere im Safaripark und hörte auch nicht die warnenden Rufe von Felix. Felix, das war – nein, das ist – mein bester Freund in Wunderschönhausen, er ist ein großer bunter Schmetterling.“
„Frieda“, fragte ihre Mutter besorgt, „geht es dir auch wirklich gut?“
„Ja, es geht mir gut. Es könnte mir nicht besser gehen, als gerade jetzt, wo mich Glückskäferle besucht. Schaut doch in mein Haar, seht ihr den Marienkäfer? Das ist Glückskäferle, und der hat gerade mit mir gesprochen. Vielleicht darf ich wieder einen Tag in Wunderschönhausen spielen und glücklich sein.“
Vor Aufregung und Vorfreude konnte Frieda nicht mehr stillsitzen. Sie wollte auch nicht weiter frühstücken. Sie musste einfach berichten: „In Wunderschönhausen ist Schönheit das oberste Gesetz. Alles und jeder muss schön sein. Wer seine Schönheit verliert, wird unsichtbar. Überall sind große regenbogenfarbene Kugeln, welche sich zu übergroßen Spiegeln ausbreiten. Diese Spiegel haben Arme und Beine, und wenn sie mit dir sprechen, bekommen sie auch ein Gesicht. Damals, als ich in Wunderschönhausen war, blieb so eine bunte Kugel vor mir stehen und wurde zu einem solchen Spiegel.
Er zeigte mir, dass ich die schönste Prinzessin war. Diese regenbogenfarbenen Kugeln sind die Wächter der Schönheitspolizei. Aber kein Kind braucht sich vor ihnen zu fürchten. Sie kommen mit einer Waschschüssel und waschen alles blitzblank, kämmen das Haar oder putzen einfach nur die Schuhe.“
„Jetzt reicht es!“, polterte ihr Vater los. „Aus dem Alter, wo man solche Fantasien haben darf, bist du doch wohl längst raus. Frieda, wach auf!“
„Aber das ist die Wahrheit“, protestierte Frieda und plapperte aufgeregt weiter. „Damals in Wunderschönhausen blieb so eine regenbogenfarbene Kugel vor mir stehen und wurde zu einem großen Spiegel. Dieser sprach: »Willkommen bei uns in Wunderschönhausen. Du bist die schönste Prinzessin hier, du darfst für einen Tag bleiben. Schönheit ist bei uns das oberste Gesetz. Alles und jeder muss schön sein. Achte immer darauf. Wer seine Schönheit verliert, wird unsichtbar. Nun wünsche ich dir noch viel Spaß«, fuhr das Gesicht im Spiegel fort. »Schaue dir alles an, spiele und freue dich. Du kannst auch zum Frisör gehen oder zum Schneider, zur Kosmetik oder ins Nagelstudio. – Nun möchte ich mich von dir verabschieden.« Mit einer kleinen Verbeugung verabschiedete sich der Spiegel von mir, wurde wieder zu der regenbogenfarbenen Kugel, flog nochmals um mich herum, hüpfte und murmelte fröhlich: »Schön, schön, schön, die schönste Prinzessin hier.« Dann flog er davon.“
Frieda musste lächeln. Träumerisch sprach sie weiter: „Ach, wenn ich doch wieder in Wunderschönhausen sein könnte, nur für einen Tag.“
Ihre Mutter ließ vor Schreck ihren Löffel fallen. Der Kaffee spritzte über den gesamten Tisch und einige Tropfen landeten mitten auf Friedas Stirn.
Friedas Vater schaute sie an und schnappte nach Luft. Endlich fand er seine Sprache wieder: „Christina Annabell Fridoline Müller, komme endlich auf den Boden der Tatsachen zurück. Es gibt kein Wunderschönhausen und auch keine Glückskäferle oder Marienkäfer, die reden können. Und du kannst auch keinen Tag nach Wunderschönhausen reisen. Höre bitte auf zu träumen!“
Vor Entsetzen röteten sich seine Wangen.
Friedas Mutter starrte das Mädchen noch immer mit offenem Mund an. Nur Friedas Brüder steckten die Köpfe zusammen und tuschelten. Die beiden schauten ihre große Schwester bewundernd an. Solche spannenden Abenteuer würden sie auch gern mal erleben.
Band 4
Wunderschönhausen und seine wahre Geschichte
Frieda stand im Safari-Park, mitten auf einer grünen Wiese, mit gelben, roten, weißen und blauen Blumen. Ein leichter, warmer Wind wehte. Ihr rotes Prinzessinnenkleid war so lang, dass von ihren silbernen Schuhen nur die Schuhspitzen hervorschauten. Sie freute sich wieder in Wunderschönhausen zu sein. Dann schaute sie sich um.
„Hallo Frieda, bist du auch durch den Regenbogen gereist?", Ritter Paul von Rittersgrün stand vor ihr. Sonnenstrahlen spiegelten sich in seiner Rüstung. Paul lachte. Dabei kniff er seine Augen zu kleinen Schlitzen zusammen. Er freute sich Frieda zu sehen. „Ich habe schon auf dich gewartet. Der Heilige Ibis sagte mir, dass er dich besuchen wird. Frieda, es ist schön, dass du da bist."
Frieda fühlte, wie sich ihre Wangen röteten. Sie konnte nicht sagen, was mit ihr los war, aber immer wenn sie Paul anschaute, hatte sie so ein komisches Gefühl im Bauch. Sie war gern in seiner Nähe.
Frieda verzog ihr Gesicht zu einen breiten Grinsen und antwortete: „Ich bin auch froh, dich hier zusehen. Aber viel lieber hätte ich mit dir gespielt, als schon wieder Wunderschönhausen retten zu müssen."
„Ja leider. Warum sind wir immer nur hier, wenn wir Wunderschönhausen retten müssen. Ich würde auch viel lieber mit dir spielen. Aber Wunderschönhausen braucht unsere Hilfe", Paul stöhnte. „Weißt du was geschehen ist? Warum braucht Wunderschönhausen unsere Hilfe. Hier ist es doch wie immer. Ich kann nichts Ungewöhnliches entdecken."
Die Kampfhornisse Rosinante, welche zusammen mit Paul nach Wunderschönhausen gekommen war, schaute das Mädchen beleidigt an. Frieda hatte sie doch tatsächlich übersehen. „He, ihr beiden, ich bin auch noch da."
Frieda sah die Kampfhornisse verlegen an. „Hallo Rosinante, entschuldige. Natürlich habe ich dich nicht übersehen." Freundlich streichelte Frieda Rosinante über ihren behaarten Rücken. „Ich freue mich sehr, dich zu sehen. Danke, dass du da bist."
„Ist schon gut", entgegnete Rosinante noch ein wenig beleidigt.
Frieda schaute sich um. Sie sah Kinder, die im Safari-Park spielten, lachten und sangen. Sie hörte das Lied von dem bunten Schmetterling, das sie einst selbst hier sang, damals als sie das erste Mal in Wunderschönhausen war. Frieda sah auch viele Schmetterlinge, Käfer und Bienen. Es schien alles normal zu sein. „Wunderschönhausen soll krank sein. Ich kann nichts Ungewöhnliches entdecken."
Nun schaute sich auch Paul um. Bedächtig meinte er: „Ich weiß auch nicht recht. Aber vielleicht sollten wir zuerst einmal die Wächter der Schönheitspolizei fragen. Sie wissen doch alles, was in Wunderschönhausen geschieht."
„Die Wächter der Schönheitspolizei, das sind diese lustigen, regenbogenfarbenen Kugeln. Wo sind diese nur? Ich sehe keine!", wunderte sich nun auch Frieda. „Sie begrüßen doch sonst jedes einzelne Kind, welches nach Wunderschönhausen kommt. Ich weiß noch, wie ich sie das erste Mal sah, als so eine lustige Kugel um mich herum hüpfte und meinte, dass ich die schönste Prinzessin sei und sie sich danach zu einem Spiegel aufrollte. In diesem Spiegel sah ich mich, so schön, wie ich sein wollte. Und als dann der Spiegel mit mir sprach, bekam er sogar ein Gesicht." Träumerisch sprach Frieda weiter. „Mir fehlen die Spiegel, mit diesen lustigen, großen Augen. Ohne sie ist Wunderschönhausen nicht Wunderschönhausen. Sie achten auf die Schönheit. Sie kommen mit einer Waschschüssel und waschen alles blitzblank, kämmen das Haar, oder putzen einfach nur die Schuhe. Sie achten darauf, dass nicht ein einziges Kind unsichtbar wird. Ohne sie ist es hier sehr, wirklich sehr gefährlich!"